FSC Flight Simulator Center (2)
Nächster Test : Ein Flug auf dem Multi Type Helicopter Simulator (M.T.H.S.) von FSC Flight Simulator Center : Wir stehen mit unserem Hubschrauber erneut in Bozen, dieses Mal allerdings auf der Startbahn 01, heben also dieses Mal in nördlicher Richtung ab. Unser hochgeladener Helikopter ist ein Royal Air Force Westland Sea King HAR3A, die britische Version des Sikorsky SH-3 Sea King, ein schwerer in dieser Version gelber ziviler 7 Platz-Helikopter, der mit Rädern ausgestattet ist. Der Turbinen-Motor läuft, mit dem Pitchhebel erhöhe ich langsam und gefühlvoll den Auftrieb des Rotors um abzuheben und in den stationären Flug überzugehen. Im Gegensatz zu meinem Saitec X52 System haben wir es hier mit einer wirklichkeitsgetreuen Austattung zu tun : Pitchhebel (zur kollektiven Blattverstellung), Steuerknüppel (Nick- und Rollbewegungen, zyklische Blattverstellung), Pedale mit denen der Einstellwinkel des Heckrotors gesteuert wird, Kontrollinstrumente, alles physical und nicht nur virtuelle oder reine game-Hardware. Zweifelsohne aus „Flugsicherheitsgründen“ hat der Hersteller auch hier keinen Co-pilotenplatz vorgesehen; dafür verfolgen aber zwei dutzend Zuschauer um mich herum diesen Flug in der Außenansicht, auf einem Kontrollmonitor, den ich allerdings von meinem Pilotenplatz aus nicht sehen kann. Ich selber betrachte erneut die real wirkende und ausgezeichnet definierte Gebirgslandschaft um mich herum. Mein Blickwinkel ist vollends abgedeckt durch die fast 2 Meter hohen Monitore, die in 180° um mich herum installiert sind. Ich habe den Eindruck, mich inmitten der Landschaft zu befinden. Durch Lautsprecher dröhnt der schwere Motor des Hubschraubers. Die linksseitige Installation des realen Pitchhebels und die größeren Widerstände, auch des Steuerknüppels und der Pedale, unterscheiden sich dann doch erheblich von den leichtgängigen Bewegungen meines Home-Joysticks und als ich anfange, den Steuerknüppel langsam zum Nicken nach vorne zu drücken und gleichzeitig den Auftrieb des Rotors zu erhöhen, schaukelt der Helikopter etwas und ich brauche einige Sekunden um ihn wieder vollends unter Kontrolle zu bekommen.
In der Aufregung habe ich leider vergessen, mir die genaue Höhe des Flugplatzes zu merken, und sehe auch keine Zusatzanzeige, wie ich das bei mir zu Hause mit einem Control (Strg-) W Befehl manage, der dann die wichtigsten Daten (Flughöhe, Geschwindigkeit, Wind,…) oben links auf dem Monitor abspielt. Aber ich kann ja jetzt nicht einfach auf Pause drücken und fliege also im straight departure Steigflug über die Startbahn. Wir überfliegen einen Fluss, kurz danach das Zentrum von Bozen und etwas später, vor einer Bergkette, rolle ich nach links auf Kurs 280 (Richtung San Maurizio, wie ich später kontrolliert habe). Ich mache erneut eine 180° Grad Linksdrehung, mit einer Schräglage von ca. 30°. Ich ziehe den Pitchhebel leicht nach oben und unterstütze die Bewegung mit den Pedalen, so dass mir eine saubere Drehung unter korrekter Beibehaltung der Flughöhe gelingt.
Die Instrumentenanordnung verwirrt mich ein wenig, da sie etwas anders ist als bei den Hubschraubern, die ich sonst bei mir zu Hause fliege. Ich schaue mir die Instrumente etwas genauer an und versuche klarzukommen. Dadurch verliere ich zwar etwas die Orientierung, aber schon überfliegen wir erneut Bozen und langsam leite ich schon mal vorsichtshalber meinen Sinkflug ein : ich drücke den Pitchhebel etwas nach unten und nicke gleichzeitig nach hinten, um unsere Geschwindigkeit von ca. 110 Knoten schon mal auf 80 Knoten zu verringern; wir sinken mit ca. 4OO Fuß pro Minute. Jetzt müssten wir aber bald den Flughafen sehen. Wir überfliegen erneut einen Fluss (wie ich später feststellen konnte, gibt es 2 Flüsse durch Bozen : die Talfer und die Etsch) und fliegen dann in das Tal, von dem wir, wie ich meinte, gekommen sind. Kein Flughafen in Sicht, stattdessen wird das Tal immer enger und vor mir tut sich eine neue Bergkette auf. War wohl doch das falsche Tal ?! Keine Pausentaste zur Verfügung, ich muss weiterfliegen und da irgendwie herauskommen.
Zum Glück hatte ich früher schon einmal geübt, durch einen Schlucht zu fliegen (Gorges de l’Ardèche in Frankreich). Da ich ja irgendwie wieder zurück muss, entscheide ich mich dazu, zunächst wieder an Flughöhe zu gewinnen um erneut in aller Sicherheit umzudrehen, da wo ich genügend Platz habe. Nach einem kurzen Rückflug entdecke ich nun endlich linksseitig das andere Tal, von dem aus ich ja zwangsläufig gekommen sein musste. Ich rolle also erneut nach links, Kurs 180. Erneut verringere ich die Flughöhe. Endlich entdecke ich weiter vor mir die Landebahn und ein Blick auf den PAPI, (Precision Approach Path Indicator, zu deutsch “Präzisions-Anflug Gleitwinkelbefeuerung”) zeigt mir an, dass ich mich sogar in der richtigen Anflughöhe befinde : 2 weiße und 2 rote Lichter begrüßen mich. Während des Sinkflugs versuche ich die Geschwindigkeit von 80 Knoten durch Anziehen des Steuerknüppels zu verringern, was sich aber als wesentlich schwerfälliger erweist als bei mir zu Hause. Ich muss noch etwas stärker nach hinten nicken und komme langsam unter die 40 mph Markierung. Beim Landen mit einem mit Rädern ausgerüsteten Hubschrauber sollte man nicht schneller als 5 oder 6 Knoten sein (2 – 3 Knoten beim Kufensystem). Ich fliege also ganz langsam über den Beginn der Rollbahn, balanciere den Pitchhebel und als ich meine, dem Grund gefährlich nahezukomme, gebe ich wieder etwa Aufwärtsschub, um weich zu landen und nicht aufzuknallen. Ich habe bei mir zu Hause nur einmal einen Heli mit Rädern geflogen und so frage ich mich jetzt : “Fliegen wir noch oder Rollen wir schon ?” Das lässt sich im virtuellen Flug ohne Full-Motionsystem oder sichtbarem Kontrollmotor nicht so einfach feststellen, aber das Klatschen der Zuschauer legt es nahe, dass ich einwandfrei gelandet bin.
Giuseppe Convertino, der verantwortliche italienische Ingenieur beglückwünscht mich zu diesem volo fantastico. Oder möchte er einfach nur, dass ich einen guten Artikel über das Simulations-Package schreibe ? Hätte er allerdings nicht gebraucht, weil ich bei diesem Flug wirklich um mein Leben gebangt habe, wovon mein durchgeschwitztes Hemd bezeugen kann. Giuseppe teilt mir mit, dass ein zusätzliches Ground-Monitor–System geplant ist, um den Landevorgang besser kontrollieren zu können und zu erleichtern. Die Rückkehr in meine Home-Flusi-Welt wird hart sein.
Reinhard Finke – VdN
PS: Ich habe den Flug mit meinem Heimsimulator wiederholt. Weiter unten das Video (auf Französisch kommentiert) :